Aufschreibung für die Vereinschronik
von Chr. Neser u. Heinrich van Schoor
Es war Pfingstsonntag 1911 als der Volks-Chor in Riedenburg ein Sängertreffen hatte. Nach Beendigung der Veranstaltung, die von Hugo Ottilinger dirigiert wurde, fuhren die meisten Teilnehmer am Abend wieder mit dem Zug nach Ingolstadt. Einige Naturbegeisterte kamen überein, noch in Riedenburg zu bleiben und machten eine Kahnpartie auf der Altmühl. Am anderen Tage gingen sie über die Klamm nach Kelheim. Von hier aus machten sie eine Bootsfahrt zum Klösterl. Weiter ging es nach Weltenburg und Rückfahrt von Taldorf.
Diese kleine Gruppe, darunter Hugo Ottilinger, Chr. Nesar, Math. Schießl, Naz Vieringer, Max Auracher, Ed Berotter, Hans Friedrich und Jos. Lenz traf sich nun öfter um Touren in die nähere und weitere Umgebung zu machen. Bald nahm man Fühlung mit den Nürnberger Naturfreunden und so kam es am 3.3.1912 zur Gründung der Ortsgruppe Ingolstadt/TVdN.
Die Verwaltung bestand aus Vorstand Ottilinger, Schriftführer Neser und Kassier Schießl. Das erste Vereinslokal war die Farbe. Später zog man in den Tafelmeier, danach zum Poppen. Nach dem I. Weltkrieg zogen wir ins Hotel Adler (Niemeier Sepp). Hier wurde auch ein gelungener bunter Abend aufgeführt, der in Kelheim und Manching wiederholt wurde. Alle Jahre hatten wir einen Faschingsball im Schäffbräu und einige Male auch Kirta auf der Alm, gewöhnlich im Bergbräukeller.
Später zogen wir wieder in den Tafelmeier. Darauf zogen wir in unser Stadtheim an der Donaulänge. Hier Zusammenschluß mit dem Faltbootklub.
Dies war jedoch keine glückliche Lösung. Nach Aufgabe des Stadtheims kamen wir wieder in den Poppenbräu.
Aus der anfangs kleinen Gruppe wurde eine stattliche Ortsgruppe, die öfter mit andern Ortsgruppen zusammenkam. So waren wir oft mit den Kletterern aus Nürnberg zusammen. Am Dohlenfesen in Konstein wurden die Kräfte gemessen. Leider hatten wir im Jahre 1913 den tödlichen Absturz von Neißwirt Peter zu beklagen. Es war der erste Absturz, dem noch einige Stürze von Nürnbergern folgten. In Konstein waren wir in der Wirtschaft beim Krieger Emil gern gesehen und gut untergebracht. Der Hauptverein hatte damals verschiedene Abteilungen, die jede im Interesse des Vereins arbeitete, jedoch für sich. So die Wanderführer unter Hermann Knöppler. Knöppler hatte sich als Wanderführer sehr verdient gemacht. Sein Lehrmeister war Wanderfreund Kühnermann-Nürnberg. Volkstanzgruppe, Winter- und Klettersprtabteilung, Sängerabteilung, Fotoabteilung, Jugendgruppe und Kindergruppe.
Der I. Weltkrieg hat die Vereinsarbeit weitgehend gestoppt. Aber glücklicherweise sind alle wiedergekommen. Nach dem Kriege ging es wieder frohgemut weiter. Wanderungen in die nähere und weitere Umgebung neben Gebirgstouren. Letztere waren schon durch die lange Anfahrt und Arbeitsschluss am Samstag Nachmittag ziemliche Strapazen.
Bei Wanderungen nach Konstein sind die Silvesterfeiern beim Krieger Emil mit Übernachtung auf dem Boden unvergeßlich geblieben.
Mit der Bevökerung kamen wir immer gut aus. Auch der Leiter der Gendarmeriestation kam oft zu einem Plausch.
Nun reifte in unseren Köpfen der Gedanke ein Haus als Stützpunkt in diesem schönen Gebiet zu haben. Um mit den Aichachern Kontakt zu bekommen, kehrten wir nun öfter beim Eberl Silvester ein. Als die Bauern hörten, dass wir gern ein Grundstück für ein eigenes Naturfreundehaus kaufen wollten, wurde zunächst im Gemeinderat beschlossen, unserem Wunsch nicht Rechnung zu tragen, denn dadurch kämen zu viele Fremde ins Tal, die auf Wiesen und Äcker keine Rücksicht nehmen. Es meldete sich dann aber ein Bauer Maiinger, der meinte, dass er am Galgenberg einen Zipfel habe, wo sowieso nichts wächst. Am nächsten Montag fuhren Berotter Ed. und Huber K., beide selbstständig, die anderen waren in Arbeit, nach Konstein. Man kam überein und wir konnten das Stück am Galgenberg erwerben. Bald ging die Arbeit los. Zunächst wurde eine Baracke am Donnersberger Gut erworben. Diese musste abgerissen werden. Das Holz und sogar die alten Dachziegel wurden mit dem Fuhrwerk nach Konstein gebracht. Eine Bretterbude mit Notlagern wurde erstellt, um nicht weit zur Baustelle zu haben. Die Fundamentierung war schon eine Riesenarbeit. Um billige Bausteine zu bekommen, wurden im jetzigen Steinbruch Felsstücke gesprengt. Schon am frühen Morgen wurden die Schläfer, die noch müde von der Arbeit am Samstag Nachmittag waren, von Friedrich Hans, der bei den Pionieren das Sprengen gelernt hatte, geweckt mit den Worten: "Aufstehen, gesprengt wird".
Die gesprengten Stücke wurden mit Schubkarren zur Baustelle gefahren. Die Frauen sorgten inzwischen notdürftig, dass die hungrigen Mägen gefüllt wurden. So ging es bis zum Abend.
Da man, um den Zug ab Bhf. Eichstätt zu erreichen, um 1 Stunde früher hätte aufhören müssen, arbeitete man 1 Stunde länger und ging dann den längeren Weg nach Neuburg. So wuchs das Haus, von der Firma Bauhütte Ingolstadt gemauert, in die Höhe. Die Maurer mussten allerdings umlernen, denn sie waren gewöhnt, mit Ziegelsteinen zu arbeiten. Hier aber waren Bruchsteine das Baumaterial.
Endlich stand das Haus da und es konnte "Hebauf" gefeiert werden.
Nun kam wieder ein Problem hinzu. Die verwitterten Dachziegel hätten auf dem neuen Haus nicht gut ausgesehen. Es wurde ein großer Bottich herangeschafft. In dessen Inhalt (rote Farbe) wurde von den Frauen Stück für Stück der Dachziegel getaucht und so mit List ein rotes Dach gezaubert, das einige Jahre aushielt.
Die Einweihung des Hauses war ein grosses Volksfest. Neben befreundeten Ortsgruppen, Alpenverein und Bevölkerung belebten auch Fremde den Galgenberg. Der erste Hausreferent war Xav. Wengert, dem nach Jahren Gg. Eder folgte. Dieser hat sich die Arbeit mit Heinrich van Schoor geteilt. Später hat Karl Halmburger den Posten versehen bis es seine Krankheit nicht mehr zuließ. Seitdem wird die Arbeit von Max Ostermeier ausgeführt. So hat man nun das schmucke Haus, das für viele Ingolstädter und auswärtige Erholungssuchende Urlaubsziel wurde. Aber die Arbeit hörte nie auf. Inzwischen kam die Inflation. Die sonntäglichen Einnahmen waren so groß, dass man das Papiergeld, das keinen Wert mehr hatte, in großen Schachteln und dann in den Rucksack verstauen musste. Am frühen Montag Morgen wurden dann die Frauen ausgeschickt um wenigstens noch etwas dafür zu kaufen, denn am Abend war es schon wieder viel weniger wert. Bisher hatten wir auch noch keine Wasserleitung im Haus. Alles Wasser musste in Eimern von der Schutterquelle heraufgetragen werden. Auch die morgendliche Toilette fand unten an der Quelle statt. Endlich waren wir finanziell soweit, eine Leitung zu legern. Unter Leitung von Knöppler Hermann und einigen Arbeitslosen wie Hofstetter II sowie einige Kelheimer Naturfreunde, die auch keine Arbeit hatten wurde diese Aufgabe bewältigt.
Beleuchtung bestand auch nur aus Petroleumlampen. Für die Hüttenwarte am Morgen eine zusätzliche Arbeit, denn die Lampen mussten gereinigt und aufgefüllt werden. Alle waren froh, als es soweit war und die elektrische Leitung installiert war.
An einem Samstag Abend war die Lichtfeier angesetzt. Als Obmann Friedrich ausrief: "Haus erstrahle" war es als ob der Wettergott uns einen Streich spielen wollte. Das Licht war einen Augenblick eingeschaltet, ein Blitz vom Gewitter ausgelöst, ein Krach und die Sicherungen waren durchgebrannt. Der Schaden war aber schnell behoben.
Allmählich war unser gefärbtes Dach auch schadhaft geworden und musste mit neuen Dachziegeln gedeckt werden. Bei dieser Gelegenheit wurde das zweite Dachfenster gleich dem auf der anderen Seite im I. Stock eingebaut.
Eines Tages merkten wir, dass die Kellerdecke unter dem Aufenthaltsraum nachgab. Um Geld zu sparen, hatte man beim Neubau die alten Balken verwendet. Diese hielten nach der jahrelangen Belastung nicht mehr stand.
Der ganze Fußboden wurde herausgerissen und eine Betondecke eingezogen. Darauf wurde im I. Stock der gesamte Bretterboden ersetzt.
Inzwischen wurden die primitiven Matratzen und Strohsäcke durch feste Drahtmatratzen und Auflegematratzen ersetzt. Diese hätten in normalen Betten auch ihren Dienst getan. Aber nach dem I. Osterfeiertag waren schon ein gut Teil gebrochen, denn keine Matratze hält das Stehen und Springen darauf aus. So gingen die Sorgen nie aus. Die Hüttenwarte taten das Beste und ohne Bezahlung.
Als Gg. Eder einmal den Antrag stelltem, den Hüttenwarten wenigstens das Fahrgeld zu ersetzen, sagte Hollweg Thomas: "Wenn wir bezahlt werden, mache ich keinen Hüttenwart mehr".
Das dritte Reich hat auch am Haus seine Spuren hinterlassen.
So berichtet Wf. van Schoor:
Am Karfreitag 1933 fuhr ich mit meinem Sohn Hermann über Eichstätt-Obereichstätt aufs Haus. Wf. Müller mit Frau aus Nürnberg waren nach Wellheim gezogen und hatten das Haus verwaltet. Da er gemeldet hat, dass im Haus eingebrochen wurde, wollte ich nach dem Rechten sehen. Kaum war ich am Haus, da sehe ich 4 Mann den Berg heraufkommen. Es waren 2 Ingolstädter Stadtbeamte (Erw. Geßler und Cl. Schneider) sowie Hauptlehrer Papst und Gastwirt Lemmle aus Wellheim.
Sie erklärten das Haus als beschlagnahmt und hissten an unserem Fahnenmast die Hakenkreuzfahne. Bei der Flaggenparade drückte ich mich ins Haus, um dem Gruß auszukommen.
Geßler, der mich kannte, erklärte mir, dass ich im Haus übernachten könne, wenn ich der NSPO beitrete. Darauf habe ich geantwortet, dass ich gar nicht daran denke, das zu tun, um auf unserem Haus zu übernachten. Ich halte es immer noch für unser Haus. Darauf gab er nach.
gez. Heinrich van Schoor